Aber manchmal passiert auch etwas anderes. Du siehst zum ersten Mal einen Menschen, du umarmst ihn, du spürst seine Offenherzigkeit in seinen Augen und fühlst, dass er dein Herz gestohlen hat. Und es ist gut, dass er es stahl. Es tut dir gar nicht leid, es ist nicht schrecklich. In dieser einzigartigen Begegnung liegt eine solche Leichtigkeit, eine solche Wärme. Letztendlich füllt sich die Leere des geschäftigen Alltags mit etwas Lichtem und Tiefem. MAN LIEBT DICH – ohne Bedingungen und Vorbehalte. Einfach so. Weil DU DA BIST, weil DU VON NÖTEN BIST.
Ein Sonnenstrahl wie Gottessegen
Freitag abends. In der gemütlichen Kirche, die dem Hl. Nektarius von Ägina geweiht ist, auf dem Territorium des Kinderheimes für Kinder mit geistigen und körperlichen Einschränkungen herrscht reger Betrieb. Die Schwestern der Barmherzigkeit, die zur Schwesternschaft zu Ehren der Hl. Märtyrerin und Großfürstin Elisabeth gehören, bringen, aus den verschiedenen Abteilungen die Kinder zum Gottesdienst.
Der Junge auf der Liege schenkt ein freundliches Lächeln, greift nach dem Zipfel deines Kleides und versucht den Blickkontakt, in etwas Greifbares umzuwandeln. Der junge Mann im Rollstuhl massiert freundschaftlich die Hand als Zeichen der Begrüßung. Das Mädchen mit dem etwas abschweifendem Blick bemüht sich zu erinnern, ob sie dich früher schon einmal gesehen hat.
In der Kirche ist es still und ruhig. Das Väterchen liest gleichmäßig den Akafist – Hymnos. Die Nonne ruft den Hl. Nektarios an: „Freue Dich!…“ Die Schwestern der Barmherzigkeit beten aufmerksam, bitten Gott, den Herrn, und den Heiligen, ihnen Kraft für ihren Dienst an den Kindern zu geben.
Und plötzlich erscheint in der Tür ein Sonnenstrahl. Er flutscht durch die Schwestern und Kindern, läuft auf dich zu und umarmt dich kräftig, Schutz und Wärme suchend. In dieser von Gott erschaffenen Situation lag soviel Offenherzigkeit und Unmittelbarkeit, Einfachheit und Ausgelassenheit! Sie schaut aufmerksam in deine Augen und in dem geheimnisvollen Spiegel seiner Seele erkennst du etwas Größeres im Vergleich mit dem, was du früher gesehen und gefühlt hast. In der Umarmung mit dem neuen Freund verfliegt fast unbemerkt die Zeit…
Die Liebe und die weiße Kleidung
Die Schwestern der Barmherzigkeit besuchen seit etwa 20 Jahren das Kinderheim. Jeden Freitag bringen sie die Kinder in die Kirche des Hl. Nektarios zum Akafistgebet, am Samstag zur Göttlichen Liturgie. Der Priester Valerij Sacharow kümmert sich seit vielen Jahren um die geistliche Betreuung der Zöglinge des Internates.
Es gehen alle zur Kommunion. Einige gehen in der Kirche und zwar jene Kinder, die in Begleitung der Schwestern kamen. Die anderen besucht das Väterchen mit den heiligen Gaben auf den Stationen. Niemand bleibt ohne den rettenden Leib und das rettende Blut Christi.
Ungefähr 50 Schwestern schenken den Pflegekindern des Internates Wärme. Unter ihnen gibt es ganz junge lächelnde Studentinnen, durch Erfahrung gereifte Frauen und gutmütige alte Frauen, die sich alle mit Aufmerksamkeit und Sorgfalt ganz mütterlich kümmern. Es ist erfreulich, dass die Schwestern Seite an Seite mit den Brüdern, ungeachtet dessen, dass sie von weltlichen Sorgen geplagt sind, Zeit finden, um den Kindern Freude zu schenken. Ihre männliche Sorge, Unterstützung oder physische Kraft ist nicht weniger wichtig als die weibliche Wärme und Zärtlichkeit.
Die Kinder sind nicht isoliert und nicht verlassen, sie entwickeln sich und nehmen die Fülle des Lebens wahr. Spiele, Zeichnen, Religionsunterricht, Trickfilme, Spaziergänge an der frischen Luft, der Besuch von Theatern, Museen, Cafés, Pilgerreisen und Ausflüge, fröhliche Namenstage mit Süßigkeiten und kleinen Überraschungen…
Unter der Leitung des Schauspielers Alexander Schdanowitsch des Nationalen Akademie – Schauspielhauses „Maxim Gorki“ inszenierte mit den Bewohnern des Kinderheimes das einzigartige inklusive Schauspiel „Der kleine Prinz“, dessen Aufführungen stets ausverkauft sind. Dies ist das Verdienst derer, die sich dafür entschieden haben, den Menschen zu dienen, in ihnen das Bild Gottes zu sehen und die Hl. Märtyrer Großfürstin Elisabeth nachzuahmen .
„Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche bleibt den Augen verborgen“
Warum gehen einige in der Unruhe der Welt zugrunde und werden an den Rand eines völligen geistigen Zusammenbruchs geführt, und andere verharren in völliger Ruhe und empfinden Freude? Wie lernt man, jeden Tag Gottes Segen zu erkennen? Sich an der Sonne zu erfreuen und ganz tief durchzuatmen? Dem Heiland für jede Minute des geschenkten Lebens zu danken? Wie liebt man den Nächsten, wenigstens ein bisschen?
Warum können wir, die wir soviel erhalten haben, dies nicht schätzen und bewahren? Aber jene, die wir als benachteiligt betrachten, freuen sich aufrichtig und lieben bedingungslos? Wer von uns ist wirklich krank?..