Im Leben eines jeden Menschen gibt es besondere Tage. Oft sind es Feste. Im Winter warten die Christen zum Beispiel auf Weihnachten, im Frühling auf Ostern, die Auferstehung Christi. Und was kann man an einem normalen Donnerstag oder Freitag zelebrieren. Wir wissen einfach, dass diese Tage kommen, und das macht sie nicht besonders. Jedoch sind diese Wochentage für die Bewohner des psychoneurologischen Heimes Nr. 3 im Minsker Bezirk Nowinki etwas Außergewöhnliches, denn an diesen Tagen kommen die Schwestern vom Kloster der Heiligen Elisabeth auf Besuch. Am Donnerstag wird eine Andacht gehalten und am Freitag die Göttliche Liturgie gefeiert. Und man kann mit den Schwestern einfach Alltagssachen besprechen, die für die Bewohner in diesem Moment die wichtigsten auf der Welt sind. Dann werden sie unvermeidlich fragen, wann das nächste Theaterstück kommt, obwohl dieses gerade vor ein paar Tagen aufgeführt worden ist.
Dieses Jahr wurde das Theaterstück von Wadim Lewanow gezeigt. Die Schwestern und Brüder vom Kloster erzählten den Zuschauern, zusammen mit den Bewohnern, eine lehrreiche Geschichte über das Gute und das Böse. Es herrschte an diesem Tag eine besondere Atmosphäre. Hinter den Kulissen rascheln und flüstern die Schauspieler, sie sind aufgeregt, sie wiederholen ihre Textpassagen und richten ihre Kostüme her. Hinter der Bühne hingegen ist alles still. Nur Roman und Pawel, die zwei Heimbewohner, stehen dort, die sich im Stück für die Wächter des Herodes-Heeres ausgeben. Pawel hat zum Beispiel keine Bühnenscheu, er singt ja in einem hauseigenen Ensemble, welches sich „Die Singenden Herzen“ nennt. Und es kommt vor, dass gerade diese zwei über die Ruhe des Heimes wachen. Weihnachten gern zu haben ist für die beiden etwas ganz Selbstverständliches. „Wir sind ja gläubig!“ sagen sie. Auf eine natürliche Frage über die Weihnachtsgeschenke kommt eine unerwartete Antwort, dass sie für alle Menschen beten, dass sie nicht krank werden. Es sind einfache Worte, die ihre Wahrnehmung der Welt widerspiegeln.
Die Heiligen haben die Theater, die Schauspielkunst und andere Unterhaltungen eher negativ gewertet, da sie die Christen von einem gottgefälligen Leben ablenken. Oft aber kann man den Zuschauer gerade durch ein Theaterstück, das sehr wohl auch christliche Themen behandeln kann, aus seiner gewohnten Lebensordnung holen, ihm Einhalt gebieten bzw. ihm etwas zum Nachdenken anbieten. Sich über Gott und Ewigkeit Gedanken zu machen und den Alltag unter einem anderen Blickwinkel zu betrachten.
Bruder Oleg Schust, einer der Hauptdarsteller, sagt, dass dieses Stück über uns selbst erzählt, da jeder im Leben die Wahl treffen muss, ob er dem Guten oder dem Bösen dienen will.
Für die Schwester Jelena Turkowa, nachdem sie zum Glauben fand, wurde das Heim so zum Dienst am Guten. Jelena betreut die Heimbewohner seit über 10 Jahren, von denen sie acht Jahre stets in den Theaterstücken mitgespielt hat. Auch dieses Mal saßen die Bewohner der von ihr betreuten neunten Abteilung (hier gilt sie als eine der schwierigsten Abteilungen im Heim) in den Rollstühlen in der Nähe der Bühne. Dieses Jahr verkörpert die Schwester Jelena eine Sammelfigur der Drei Könige, die zur Krippe kommen, um den neugeborenen Christus zu verehren.
Nach dem Theaterstück werden einige Bewohner Lieder aus den bekannten Filmen singen, andere werden Weihnachtslieder hören und einen Tanz vor dem Christbaum vorführen. Eine Improvisation…Auch diejenigen, die weder gesungen noch getanzt haben, haben sich innerlich gefreut.
Die Freude ist eine Art der Kommunikation. Viele Personen können gleichzeitig durch ein Theaterstück bzw. ein Lied miteinander kommunizieren. Man kann sich auch austauschen, wenn man alleine ist, wenn es denjenigen gibt, der ein offenes Ohr für dich hat. Nach so einem Gespräch, es kann beliebig lang sein, wirst du plötzlich verstehen, dass du jemandem wichtig bist.
Die BewohnerInnen vergleichen oft die Schwestern der Barmherzigkeit mit Müttern. Im Heim wohnen 700 Personen, auf die 40 „Mütter“ – die Schwestern im weißen Gewand, sowie auch 10 „Väter“, die Brüder, fallen. Das Heim wurde für sie zur zweiten Familie. Aber wie führt der Herr die Menschen zu solch einem Dienst?
-Wissen Sie, sagt die Schwester Tamara Kasatschjonok, als ich vor vielen Jahren das erste Mal ins Heim kam, hörte ich die Hymne an die Gottesmutter! Die Jungs waren in Anzügen und Fliegen und die Mädchen in grauen Kleidern. Das war das Ensemble „Die Singenden Herzen“.
Das machte auf sie einen tiefen Eindruck. Ihren Dienst sieht die Schwester als Berufung. Noch als Kind half sie allen Bedürftigen, fand und brachte sie nach Hause mit. „Meine Mutter sagte zu mir, dass ich nicht allen werde helfen können. Ich wurde Krankenschwester, dann studierte ich Sonderpädagogik und arbeitete in speziellen Einrichtungen. „Schwester der Barmherzigkeit“ wurde ich nachdem ich gläubig wurde. Jetzt unterrichte ich Religion in der Sonntagsschule am Kloster und bringe den Bewohnern die Grundlagen der Rechtschreibung, der Mathematik und des Zeichnens bei.“
Jelena Batura ist die Oberschwester der „Schwestern der Barmherzigkeit“ und für das Heim zuständig. Sie gibt zu, dass sie vom weißen Gewand nicht zu träumen wagte, sie hielt sich für unwürdig. Und jetzt versteht sie noch besser die ganze Verantwortung, die auf einer Schwester lastet. Glücklicherweise findet sie bei Ihrer Familie für diese Tätigkeit Unterstützung. Auf die Frage, welche Aufgabe ihr am wichtigsten zu sein scheint, antwortet sie, dass es keine wichtigen oder nebensächlichen Aufgaben gäbe. „Wie kann man unterscheiden zwischen dem Patrozinium, Weihnachten, einer Wallfahrt, Prozession und einer Andacht? Alles ist gleich wichtig.“
Die Schwester Maria Dsjubenko malt donnerstags mit den Bewohnern. Katja, das Mädchen vom Heim, erzählt ihr währenddessen von Engeln. Vor drei Jahren ist Maria durch Katja eine Schwester der Barmherzigkeit geworden. Sie sagt, dass die Stunde unterschiedlich verläuft, manchmal ist es schwer sich mit den Bewohnern zu unterhalten, aber sie sind alles andere als hinterhältig und das ist einer der Gründe, warum Maria hierher kommt.
Das Theaterstück ist zu Ende, der Tag geht zur Neige und alle Bewohner begeben sich auf Ihre Zimmer. Aber ihre Herzen wird der Gedanke erwärmen, dass es nächste Woche wieder Donnerstag und Freitag wird, diese besonderen Tage, die voller Freude sind. Dann kann man wieder nach dem nächsten Theaterstück fragen.